Stellungnahme zum Entwurf des Stmk. Sozialunterstützungsgesetz
Am 18. August 2020 endete die Begutachtungsfrist für den Entwurf eines Landesgesetzes, mit dem das Gesetz über die Gewährung von Sozialunterstützung (Steiermärkisches Sozialunterstützungsgesetz – StSUG) erlassen und das Steiermärkische Sozialhilfegesetz, das Steiermärkische Wohnunterstützungsgesetz, Steiermärkische Behindertengesetz und das Steiermärkische Grundversorgungsgesetz geändert werden.
Das Armutsnetzwerk Steierrmark hat dazu die folgende Stellungnahme eingebracht:
Einleitung
Das Armutsnetzwerk Steiermark ist ein gemeinnütziger Verein, der sich als ein überparteiliches, unabhängiges und überkonfessionelles Gegenüber von Politik und Verwaltung, aber auch von Wirtschaft und Medien versteht. Ziel ist es in erster Linie, zur Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der Steiermark beizutragen.
Ein weiteres Ziel besteht in der Analyse von Problemlagen und deren zugrunde liegende Strukturen, sowie darin, Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, zielführende Forderungen konstruktiv einzubringen und diese mit Nachdruck zu vertreten.
In unserem Netzwerk bündeln wir das Wissen und die Erfahrungen von Menschen, die anhand ihrer beruflichen und/oder ehrenamtlichen Tätigkeit wissen, wie sich Sozialpolitik auf das Leben der Menschen in der Steiermark auswirkt.
Das Armutsnetzwerk Steiermark ist aufgrund der Fachkompetenzen seiner 34 Mitglieder
(21 Organisationen und 11 Privatpersonen) ein Expert*innenkreis für Menschen, die armutsgefährdet oder von Armut betroffen sind sowie für die Armutsprävention von vulnerablen Gruppen. Aus diesem Grund erlauben wir uns folgende Stellungnahme vorzulegen.
Erfreulich finden wir, dass das Sozialhilfegrundsatzgesetz des Bundes in einigen Punkten durch die Landesgesetzgebung entschärft werden konnte und dass etliche Empfehlungen und Überlegungen, die wir in unserem Positionspapier zur Vorbereitung eines Ausführungsgesetzes des Landes eingebracht haben, Berücksichtigung fanden. Einige bedeutsame Punkte bleiben dennoch unbeachtet, weswegen wir - unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesgesetzes - darauf hinweisen und Änderungen für das Steiermärkische Sozialunterstützungsgesetz vorschlagen.
Zu § 1 StSUG Ziele
Bemerkenswerterweise ist die Führung eines „menschenwürdigen Lebens“ in den Erläuterungen zu § 1 StSUG angeführt. Das Armutsnetzwerk Steiermark findet es unabdingbar die Menschenwürde auch im § 1 des Gesetzes als weiteres Ziel anzuführen.
Positiv anzumerken ist, dass die Zielbestimmung SHGG gemäß § 1 Zif. 2 „integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen“ nicht in den Zielen des StSUG aufgenommen wurde. Unserer Ansicht nach ist ein Sozialunterstützungsgesetz nicht der geeignete Ort bzw. das geeignete Instrument, um fremdenpolizeiliche und/oder integrationspolitische Ziele zu verfolgen.
Zu Zif. 2 StSUG: Dankenswerterweise ist die Formulierung „Optimale Funktion des Arbeitsmarktes“ nicht ins Ausführungsgesetz übernommen worden. Allerdings ist das Ziel der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben als zentrales Ziel und Gestaltungselement im StSUG vorhanden. In aller Regel ist jedoch der Bezug von Sozialunterstützung Ausdruck und Auswirkung einer sozialen Krisensituation. Der Druck aus einem drohenden Leistungsentzug kann diese Krise verschärfen und trägt nichts zu einer nachhaltigen Lösung bei.
Zu § 2 StSUG Begriffsbestimmungen
Aus Anwendungssicht sind die Begriffsbestimmungen zur besseren Verständlichkeit und Lesbarkeit des Gesetzes zu begrüßen.
Zu § 3 StSUG Persönliche Voraussetzungen
Zu Abs. 1 Zif. 1: Anzumerken ist, dass durch die Bedingung einer Hauptwohnsitzmeldung gerade für obdachlose Menschen mit psychischen Erkrankungen eine zusätzliche Hürde für den Bezug von Leistungen auftut.
Zu Abs. 2 Zif. 3: Die Regelungen der Z 2 sind völlig unbestimmt formuliert. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche unions- oder völkerrechtlichen Bestimmungen im Sinne der Z 2 anzuwenden sind. Darüber hinaus werden die Fremdenbehörden – trotz Vorgabe im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz – nicht miteinbezogen und wird die Beurteilung des Aufenthaltsstatus vollständig bei den Vollzugsbehörden belassen.
Mit dem angeführten Personenkreis von bezugsberechtigten Drittstaatsangehörigen in
Abs. 2 Zif. 3 und das Abstellen auf einen Aufenthaltstitel „„Daueraufenthalt-EU“ gem. § 45 NAG oder „Daueraufenthalt-EU“ eines anderen Mitgliedstaates gem. § 49 Abs. 2 und 4 NAG, wird eine strengere Variante für Drittstaatsbürger*innen normiert, als im SH-GG vorgeben und der VfGH in seiner Entscheidung 12.12.2019, G 164/2019 sieht.
Darüber hinaus räumt der VfGH dem Ausführungsgesetzgeber sehr wohl einen Ausführungsspielraum ein. So werden ebenfalls durch diese restriktive Umsetzung Personen mit einem „humanitären Bleiberecht“ oder Personen mit einem Niederlassungstitel, obgleich sie schon mehr als 5 Jahre rechtmäßig und tatsächlich zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, von Leistungen der Sozialunterstützung ausgeschlossen. Aus Sicht des Armutsnetzwerkes wäre es daher wünschenswert die eingeräumten Spielräume zu nutzen und eine weitreichendere Definition von anspruchsberechtigten Drittstaatsbürger*innen zu finden.
Zu Abs. 3 Zif. 3
Das Armutsnetzwerk fordert, dass durch die Veränderungen aufgrund des StSUG Menschen mit Behinderung aufgrund der fehlenden Bezugsberechtigung nach § 3 Abs. 3, Zif. 3 nicht finanziell schlechter gestellt werden. Gerade Menschen mit Behinderung sind eine besonders vulnerable Gruppe und laut Art. 28 UN-BRK ist ein angemessener Lebensstandard für diese Menschen jedenfalls sicherzustellen. Hierfür wären die Richtsätze für den Lebensunterhalt nach § 9 Steiermärkisches Behindertengesetz anzupassen.
Zu § 5 StSUG Einsatz der eigenen Mittel
Zu Abs. 4: § 7 SH-GG ermächtigt die Landesgesetzgebung Bezugsberechtigten, die während des Bezugs von Sozialunterstützung eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, für die Dauer von höchstens zwölf Monaten einen anrechnungsfreien Freibetrag von bis zu 35% des hieraus erzielten monatlichen Nettoeinkommens einzuräumen.
Es soll hier kein Unterschied zwischen 1. und 2. Arbeitsmarkt gemacht werden!
Die Zielsetzung, sowohl bei niederschwelliger Beschäftigung als auch Transitbeschäftigung, ist ja die Heranführung und Integration arbeitsmarktferner Personen an den Arbeitsmarkt. Auch für diese soll sich Arbeit lohnen! In den ländlichen Regionen ist erfahrungsgemäß die Arbeitsaufnahme zudem meist mit Mehrkosten verbunden (Fahrtkosten, Organisationsaufwand, Arbeitskleidung….).
Es ist gerade hier sinnvoll auch einen ökonomischen Anreiz zu schaffen, das Angebot an Integrationsunterstützung anzunehmen bzw. annehmen zu können.
Positiv zu erwähnen ist, dass die Erhöhung des Schonvermögens auf das Sechsfache des Höchstsatzes von Landesseite sichergestellt wurde.
Zu § 7 StSUG Einsatz der Arbeitskraft
Zu Abs. 3: Die Sozialunterstützung ist das letzte soziale Netz und darf daher keinesfalls aufgrund von Sanktionen aus dem Arbeitslosenversicherungsgesetz für vermeintliche „Fehlverhalten“ gekürzt oder gar ganz gestrichen werden. Dies entzieht den Menschen ihre Existenzgrundlage und treibt sie in große Not. Zudem werden durch die Sanktionen, als vermeintliche „Arbeitsanreize“, und den dadurch entstehenden Druck, jede noch so schlecht bezahlte Stelle annehmen zu müssen, mehr Menschen gezwungen zu Niedriglöhnen und/oder unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu arbeiten.
Die Sanktionen für das Nichteinsetzen der Arbeitskraft sind wesentlich härter, als es das
SH-GG vorgibt. Dort wäre sogar im Sinne des §7 Absatz 3 SH-GG die Möglichkeit gegeben, den Anspruchsverlust nach dem AlVG mit bis zu 50% des Differenzbetrags auszugleichen.
Zu § 8 StSUG Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs
Die Abwicklung des Wohnbedarfes sowie der Wohnkostenpauschale als reine Sachleistung stellt für das Armutsnetzwerk Steiermark einen unwirtschaftlichen und unverhältnismäßigen Mehraufwand in der Verwaltung dar. Es ist zu überlegen, Sachleistungen nur im begründeten Einzelfall einzusetzen und somit eine Stigmatisierung von Bezieher*innen hintanzuhalten und den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Gleichzeitig müsste jedoch das Gesetz auch bei der Höchstgrenze von 175 % des Höchstsatzes (§ 8 Abs. 8) adaptiert werden. Die Gewährung einer Geldleistung (statt einer Sachleistung) hat den Vorteil der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen.
Zu Abs. 3 Zif 2: Problematisch in Zusammenhang mit der Begrenzung von 175% für die Summe der Geldleistungen ist die enge (Neu-) Definition des Begriffes der Wirtschaftsgemeinschaft. Dieser ist nun im Wesentlichen identisch mit dem Begriff des „gemeinsamen Haushaltes“ aus dem Mindestsicherungsgesetz. Da nach der Begriffsdefinition alle Bezugsberechtigten in einer Wirtschaftsgemeinschaft eine Bedarfsgemeinschaft bilden, wird diese 175% - Grenze sehr schnell erreicht werden. In den Erläuternden Bemerkungen werden zwar Ausnahmen für Personen angeführt, welche nicht Teil einer Wirtschaftsgemeinschaft sind (bspw. 24-Stunden Pflegekräfte), nach Ansicht des Armutsnetzwerkes gehen diese Ausnahmen allerdings nicht weit genug und gehören noch erweitert um Personen, welche sich z.B. in einer Obdachloseneinrichtung befinden. Das Armutsnetzwerk ersucht daher weitere Ausnahmen für Personen vorzusehen, welche zwar aufgrund der gesetzlichen Definition Teil einer Wirtschaftsgemeinschaft sind, aber faktisch wegen besonderer Umstände eigentlich kein Bestandteil derselben sind.
Zu Abs. 6: Die Wohnkostenpauschale ist grundsätzlich zu begrüßen, sollte, unserer Ansicht nach, aber auf maximal 30% des Höchstsatzes angehoben werden.
Wir möchten überdies festhalten, dass das Verhältnis von Lebensunterhalt zu Wohnbedarf nun mit 60:40 festgelegt wurde. Bei Menschen mit relativ niedrigen Wohnkosten kann dies zu einer Verminderung der Unterstützung führen.
Zu Abs. 9 Zif. 1: Es ist kritisch zu sehen, dass Personen, bei einem länger als 14 Tage dauernden Krankenhaus- oder Kuraufenthalt oder einem Aufenthalt in einer vergleichbaren Einrichtung 50% des Höchstsatzes erhalten. Die monatlichen Kosten müssen trotzdem bezahlt werden, sonst drohen Obdachlosigkeit und Energieabschaltungen. Hier besteht die Gefahr, dass armutsbetroffene Menschen aufgrund der Leistungskürzungen auf notwendige Kuren und Reha Maßnahmen verzichten, was wiederum zur Folge hat, dass die Betroffenen länger arbeitslos bleiben oder dauerhaft arbeitsunfähig werden und somit auch dauerhaft in der Sozialunterstützung bleiben werden.
Frauen, die (oft nach einem jahrelangen Martyrium) in einer Gewaltschutzeinrichtung Schutz gesucht haben, werden mit der 50% Kürzung der Sozialunterstützung ebenfalls quasi für ihre Flucht vor dem gewalttätigen Partner bestraft. Gerade in dieser Situation benötigen die von Gewalt betroffenen Frauen jeden Cent, damit sie (und ihre Kinder) endgültig vom gewalttätigen Partner weg kommen und sich ein neues, sicheres und gewaltfreies Leben, zu dem auch eine eigene Wohnung gehört, aufbauen können.
§ 12 StSUG Beratungs- und Betreuungsleistungen
Beratung sollte unserer Meinung nach immer nur auf freiwilliger Basis stattfinden und keinesfalls unter Sanktionszwang, da zwischen Berater*in und dem/der Betroffenen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden muss, damit die Beratung auch erfolgreich ist.
§ 14 StSUG Mitwirkungspflicht von öffentlichen Stellen und Privaten
Wir weisen darauf hin, dass die Mitwirkungspflicht von Dienstgeber*innen und Unterkunftgeber*innen zu massiven Nachteilen bzw. Stigmatisierung der Bezugsberechtigten führen kann. Weiters werden Verwaltungsstrafen angedroht, die bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der Mitwirkungspflicht erfolgen können. Somit besteht die Gefahr, dass dies Auswirkung auf Vermietung bzw. Anstellung bei Bezugsberechtigten hat.
Die Bezugsberechtigten sind ohnehin verpflichtet, alle erforderlichen Informationen und Umstände bekanntzugeben (§13 Abs. 5, § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1).
Auch in Zusammenhang mit der Datenverarbeitung nach §23 sind die Auskunftspflichten für Private problematisch, da sie verpflichtet werden, über alle Tatsachen der Dienst- oder Mietverhältnisse Auskunft zu geben.
Zur Vermeidung von Stigmatisierung und Datenschutzverletzungen aufgrund der Mitwirkungspflichten werden folgende Datenschutzmaßnahmen empfohlen:
Abs. 3: Nach dem ersten Satz ist folgender Satz zu ergänzen: Über diese Auskunftserteilung ist Dritten gegenüber absolutes Stillschweigen zu bewahren, bei Zuwiderhandlung gelten die Strafbestimmungen der DSGVO.
§16 StSUG Verfahren
Zu Abs. 3: Im Sinne der Rechtssicherheit sollte vor dem Wort „Bescheid“ das Wort „schriftlich“ mitaufgenommen werden, da das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG auch mündliche Bescheide kennt.
§19 StSUG Ersatzansprüche, Anspruchsübergang
Zu Abs. 2: Wir weisen darauf hin, dass im Sinne der unter Absatz 2 definierten Wirtschaftsgemeinschaften nicht gerechtfertigt ist, eine Solidarhaftung für Menschen festzulegen, die sich in Wohn- oder Obdachloseneinrichtungen ein Zimmer teilen.
Zum Entwurf eines Landesgesetzes, mit dem das Steiermärkische Sozialhilfegesetz geändert werden soll
In diesem Entwurf wurde die Hilfe in besonderen Lebenslagen gestrichen.
Aktuell können auch Menschen, die keine Leistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung beziehen, aber aufgrund akuter finanzieller Notsituationen Hilfe benötigen, diese gewährt bekommen. Dies sollte im Entwurf zum Sozialhilfegesetz berücksichtigt werden!